RHEIN! Zeitschrift für Worte, Bilder, Klang, Nr. 14 (November 2016)


Unser Vorgebirge

Das Vorgebirge ist eine rheinische Region am Rande der Kölner Bucht, die trotz der Nähe zu den Zentren Köln und Bonn literarisch im Verborgenen liegt. Seit 35 Jahren dort lebend, übernahm Professor Kurt Roessler als Herausgeber die Zusammenstellung der Beiträge. Viele der Autoren und Künstler wohnen seit Jahrzehnten in dieser lyrischen Landschaft. Wenn auch in keiner Weise vollständig, ergaben sich bei der ersten Text- und Bildersammlung dieser Art zum Vorgebirge dennoch so viele interessante Beiträge, dass der ansonsten auf 100 Seiten beschränkte Umfang unserer Hefte überschritten und auf 152 Seiten erweitert werden musste.

Nach den Eingriffen der Braunkohlenindustrie werden als Vorgebirge heute der Ostrand der mittleren und südlichen Ville und die unmittelbar daran anstoßenden Teile der Rheinebene angesprochen. Das südliche Ende fällt mit der Stadtgrenze von Bonn zusammen. Die Ville ist ein langgestreckter Höhenzug, der die Kölner Bucht westlich von Köln begrenzt. Sie erreicht im Hennesenberg bei Brenig eine Höhe von 165 Metern und fällt im Westen zum Erft- und Swisttal sowie im Osten zur Rheinebene relativ steil ab. Im Norden und in der Mitte bedeckten bis zum Braunkohleabbau Wälder einen großen Teil der Hochfläche; im Süden ist der Wald an vielen Stellen auf die Westseite beschränkt und geht schließlich in den Kottenforst über. Das Vorgebirge ist schon seit römischer Zeit durch eine intensive landwirtschaftliche Nutzung gekennzeichnet: Wein, Kirschen, Pfirsiche, Brombeeren, Spargel ... Heute hat sich die Landwirtschaft auf die Großfelder der Mittelterrasse und der Hochebene verschoben. Auf den fruchtbaren Hängen, die früher die Bauern aus den dicht beieinander liegenden Dörfern bewirtschafteten, findet man heute neben der Wohnbebauung überwiegend Koppeln für Reitpferde. Die berühmte „Baumblüte des Vorgebirges“, die einst die Städter anzog, ist schon einige Jahrzehnte Geschichte.

Trotz seiner Verbundenheit zur Rheinschiene hat sich das Vorgebirge durch die geographische Besonderheit des langgestreckten fruchtbaren Höhenzugs und die kulturelle und sprachliche Kohärenz seiner Bewohner eine Eigenständigkeit bewahrt, die sich einer Einordnung in das nähere Umfeld der Städte Köln und Bonn widersetzt. Wenn dort der Begriff „Vorgebirge“ fällt, etwa im Karneval bei Künstlernamen wie „D’r Buur us dem Vürjebirg“, sowie als gefühlter Hintergrund von Ortsnamen wie „Knollendorf“, „Birkesdorf“ und „Firkesdorf“, dann wird das Vorgebirge als Adresse vorgeschoben, weil man durchaus zu Recht meint, dass es dort noch etwas dörflich zugeht. Gerade der gezielte Missbrauch des Namens bekräftigt aber die Abgren-zung und tradierte Eigenständigkeit des wirklichen Vorgebirges. Das wurde für dieses Heft zum Anlass seiner Behandlung als eine besondere lyrische Landschaft.



Herausgeber: Kurt Roessler
Beiträge ohne Namensangabe sind vom Herausgeber. Zwischen den Texten sind Zeichnungen aus seinem Buch Bornheimer Beiersprüche - Rheinische Bauernlyrik
des Vorgebirges
von 2011 eingeschoben.